Rauchmantel, Rauschebart und Mitra

Vor pink-grünem Hintergrund ist eine rote Mitra mit goldenem Rand zu sehen. (Foto: pixabay)
Ein Zeichen des Bischofs - die Mitra

Das Schneideratelier von Georgine Hösl im oberbayerischen Wartenberg scheint weiter nicht besonders ungewöhnlich zu sein: An der Wand hängt ein weißes Brautkleid, daneben ein karierter Mantel.

Nähen für jeden Anlass

Frau Hösl hält eine selbstgeschneiderte Mitra in die Kamera. Sie steht vor einem Tisch, auf dem ein roter Stoff und ein goldenes Band liegen.
Georgine Hösl

Stoffballen und bunte Zierbänder stapeln sich im Schrank, auf der Kleiderstange drängen sich Hosen, Jacken und Kostüme. Schneiderpuppen, drei Nähmaschinen, ein Bügelbrett.

 

Dann stockt der Blick beim Umherschweifen und verweilt auf einem grünen Umhang. Ganz und gar unmodisch hängt er da, will mit seiner schnörkeligen Goldborte so gar nicht dazu passen. Georgine Hösl näht für jeden Anlass – auch sakrale Gewänder für den Kirchenbedarf.

Imposantes Nikolausgewand

Gerade arbeitet die 41-jährige Schneiderin an einem roten Rauchmantel, dessen fein gewebter Wollstoff stellenweise golddurchwirkt ist. Ein Nikolaus wird den Umhang einmal tragen. Im traditionsbewussten Bayern konnte sich der heilige Bischof bislang noch gegen das Hohoho-Gepolter des pelzgesäumten Weihnachtsmannes behaupten, an Nachfrage herrscht deshalb kein Mangel. "So ein Nikolaus ist doch viel imposanter als ein Weihnachtsmann", sagt Georgine Hösl. Durchschnittlich drei Nikolaus-Ausstattungen pro Monat fertigt sie für ihren Auftraggeber, die Münchner Kirchenbedarfsfirma Schreibmayr an. Seit sieben Jahren nimmt sie neben ihren Privatkunden auch kirchliche Aufträge an, die aus handwerklicher Sicht kein besonderes Geschick erfordern. Eigentlich sei es sogar recht einfach, erklärt Georgine Hösl.

"Weihrauch-Mantel"

So ein Rauchmantel beispielsweise besteht zunächst aus zwei Teilen, deren halbrunde Form noch nicht einmal besonders schwer zuzuschneiden ist. Die Stücke werden zusammengenäht, so dass ein bodenlanger, ärmelloser Umhang entsteht. Danach wird die Cappa, der Kragen, aufgesetzt. Einst vermutlich als Kapuze gedacht, dient die Cappa heute nur noch als Dekoration. Der Rauchmantel hat seinen Namen von der üppigen Verwendung von Weihrauch bei den Anlässen, zu denen er getragen wird. In gerade einmal fünf Stunden ist der Mantel fertig, das Aufwändigste ist die Verzierung. Kreuzornamente und goldene Bordüren schmücken das Kleidungsstück, je nach Anlass und Geschmack des Kunden. Der edle Stoff und die Handarbeit haben ihren Preis: Liturgische Rauchmäntel, wie sie bei Beerdigungen oder an Fronleichnam getragen werden, kosten um die 1000 Euro.

Komplette Nikolausausstattung

Doch Andreas Püttmann, Chef der Firma Schreibmayr, hat sich nicht nur mit seinem Angebot, sondern auch preislich auf Freizeit-Nikoläuse eingestellt. Auch Profis, die in der Weihnachtszeit würdevoll von einem Kinderzimmer zum nächsten wandeln, kleiden sich bei ihm ein. Denn er bietet neben allem, was der Priester braucht, eben auch eine komplette Nikolausausstattung an.

 

Ein Rauchmantel aus "wertvollem golddurchwirktem Grundstoff, mit barocker Schließe", wird im Katalog beschrieben. "Die leuchtenden Vorderstäbe mit Kreuzornamentik und eine rote Cappa setzen sich effektvoll vom würdigen Bischofsgewand ab." Das Ganze für 240 Euro, weil der Stoff etwas einfacher ist. Die passende Mitra, ob in barocker oder gotischer Form, aus rotem Damast oder goldenem Brokat, mit oder ohne Bordüre, gibt es ab 119 Euro. Dazu ein hochwertiger Rauschebart, ein goldener Stab, bei Bedarf auch das passende Untergewand. Kein Faschingskostüm, sondern durchaus als Gewand für einen würdevollen Nikolaus-Auftritt gedacht. "Wir bieten das an, was man woanders nicht bekommt", sagt Püttmann. Etwa 40 Nikolaus-Ausrüstungen verkauft Püttmann pro Jahr.

Webseitenansicht von der Firma Schreibmayr, die u.a. Nikolausgewänder verkauft
Onlineshop für Nikolauskostüme

Sein Schlüsselerlebnis, das ihn dazu bewogen hat, dem Nikolaus sogar eigene Seiten im Katalog zu widmen, hatte Püttmann vor einigen Jahren in einem Münchner Einkaufszentrum. "Weihnachten in aller Welt" war da in einem großen Schaubild dargestellt, erzählt Püttmann. Bei diesem Anblick war er richtig schockiert: "In Deutschland brachte der Weihnachtsmann die Geschenke."

 

Er wurde zum Verfechter des wahren Nikolaus, und dessen Rettung will er nun vor allem über das Internet vorantreiben. Und musste feststellen, dass nicht alle Internet-Nutzer seine hehren Ziele verfolgen. Denn mit dem Stichwort "Rauchmantel" suchen nicht nur Pfarrer und Hobby-Nikoläuse nach ihrer Ausstattung. Gelegentlich kommen auch recht unpriesterlich anmutende Gestalten zu Püttmann in den Laden, die gerne einen Rauchmantel erwerben würden. Einen schwarzen am liebsten, zum Zelebrieren ebensolcher Messen. Solche Besuche sind dennoch die Ausnahme, beim allergrößten Teil seiner Kunden handelt es sich um ganz normales Kirchenvolk.

Kirchliche Unikate

Dass selbst Priester nicht frei sind von Eitelkeiten, hat Georgine Hösl schon erfahren. Hier noch eine kleine Extra-Stickerei, da ein goldenes Kreuz dazu – es sei falsch zu glauben, dass es einem Kirchenmann ganz egal sei, welches Gewand er trage. Doch zumindest die Größen sind einheitlich, lediglich die Länge muss gelegentlich an die Körpergröße des Trägers angepasst werden. Oder der gewichtige Schauspieler Ottfried Fischer bestellt für seine Rolle als Fernsehpfarrer Braun ein liturgisches Gewand bei Schreibmayr – dann ist eine Sonderanfertigung unumgänglich.

"Eigentlich sind die Privataufträge ja die interessanteren", sagt die Schneiderin, denn da gebe es deutlich mehr Gestaltungsspielraum. Trotzdem habe sie sich seit ihrem ersten Schreibmayr-Auftrag noch intensiver mit der katholischen Kirche auseinandergesetzt, mit den liturgischen Farben, alten Näh- und Sticktechniken. Außerdem sieht sie seitdem einem Pfarrer schon mal gründlicher auf das Messgewand. "Manchmal denke ich mir schon, das steht dem ja gar nicht", sagt sie.

600 Mitren für den Weltjugendtag

Besonders aufmerksam schaute sie im August 2005 hin: Für die Abschlussmesse beim Weltjugendtag in Köln fertigte Georgine Hösl mit ihren Kolleginnen 600 Mitren an. Ohne Maß nehmen zu können bei den Bischöfen aus aller Welt. Die Schneiderin musste sich eine Mitra einfallen lassen, die möglichst auf jeden Kopf passte. Die Lösung war ein versteckter Klettverschluss, der die Mitra passgenau für große ebenso wie für kleine Köpfe machte. Seitdem ist Georgine Hösl ein bisschen berühmt, zahllose Fernsehteams und Journalisten besuchten die Schneiderin während ihrer Arbeit.

Vor allem aber ist sie geübt im Mitra-Nähen. Zwei Stücke, versteift mit einer sogenannten Schabrackeneinlage, werden zusammengenäht, die Form, hoch oder flacher, spitz oder rund zulaufend, ist variabel. Besonders viele Mitren werden nicht bestellt, gehören doch recht wenige Bischöfe zum Schreibmayr-Kundenkreis. So bleibt es zunächst bei Nikolaus-Kopfbedeckungen. Und dem Traum aller Kirchenbedarfshändler, einmal den Papst auszustatten. Vielleicht hilft ein Gebet zum heiligen Nikolaus. Der ist schließlich nicht nur der Patron der Verbrecher und Schnapsbrenner, der Apotheker und Knopfmacher, sondern auch der Kaufleute, Spitzen- und Tuchhändler. (Text und Foto: Katja Auer)